Wenn nicht jetzt wann dann: Es ist Zeit für Aufbruch! Carola Schaaf-Derichs kommentiert
Notiert von dokumentar ~ 21. Juni 2021 ~
Krisenzeiten bewirken immer wieder janusköpfige Perspektiven: Was wurde verloren, was ging unter, wen vermissen wir? Von beruflich wie ehrenamtlich Betroffenen der Coronakrise ist hier eine durchaus einschneidende, schmerzende Bilanz und ihre Wunden zu erfahren. Das gilt für Menschen wie für Institutionen: für all die im Gesundheits- wie Rettungswesen hochengagiert in tragender Verantwortung Aktiven genauso wie die vielen freiwillig und ehrenamtlich Tätigen unseres Gemeinwesens, aber nicht nur sie.
Andererseits haben erstaunlich viele Menschen zu neuem Wagemut, zu persönlichem Veränderungswillen, zu mehr Selbstvertrauen und auch Zutrauen in die Gesamtgesellschaft, ja zu Hilfsbereitschaft und Fairnessempfinden in diesem Verhältnis gefunden. Es sind mehr denn vor der Krise, wie neue Daten zeigen. Dies ist das Ergebnis des sozioökonomischen Panels1, vorgestellt von Prof. Dr. Stefan Liebig2 im Interview mit DIE ZEIT3, und es sind erstaunliche Zahlen: so stieg das Vertrauen in andere in dieser jährlichen Befragung von 68% vor der Pandemie auf 78 % im Januar 2021.
Dieser Sommer: Zeit zum Aufatmen, Kraftschöpfen – und ein Zeitfenster für dringende neue Verabredungen …
Als Erklärung weist er auf das Zusammenrücken der Menschen hin, was mehr sei als die Pandemie als Not zu erleben. Allerdings sind die Werte auch abhängig vom Lebensalter der Befragten, so Liebig: bei den Jüngeren sei das Vertrauen in andere stark gesunken. Sie empfänden sich als die doppelten Verlierer der Krise, da sie zuletzt für die schützenden Impfungen berücksichtigt werden aber zuerst die meisten Verzichte und Verluste in Schule, Berufsbildung, Studium und in der sozial so wichtigen Freizeit auszuhalten hatten. Die Gesamtbilanz ist also tief gespalten. Und somit auch die Erfahrungswelten der Einzelnen.
Aktuell stellt sich daher die Frage: stehen wir perspektivisch bereits nach dem „Peak“ der Pandemie, somit in einer „Erholungs-Phase“? Können wir so betrachtet die Chance momentan am meisten nutzen, Dinge besser zu machen, aus den Krisenzeiten und ‑erfahrungen zu lernen? Selbst wenn noch nicht, so scheint doch gerade dieser Sommer eine Zeit des inneren Aufatmens und des Kraft Schöpfens, ja ein Zeitfenster für die dringenden neuen Verabredungen und „Learnings“ zu sein. Wir sollten es nutzen!
Mitgliederversammlung des Landesnetzwerks fordert in einem Berliner Appell mehr Vereinbarungstreue
Das hat das Landesnetzwerk Bürgerengagement Berlin in seiner 57. Mitgliederversammlung am 16.06.20214 getan, indem es die vom Sprecher:innenrat vorgelegten “TOP 5”, also die fünf Schwerpunktthemen für seine siebte Legislatur verabschiedet hat:
➔ Engagementpolitik, Partizipation bei Umsetzung der Berliner Engagementstrategie 2020 – 2025
➔ Inklusive Gesellschaft!
➔ Strukturelle Folgen der Corona-Pandemie aufarbeiten
➔ Fachkreis Zivilgesellschaftsforschung, Kooperation mit Hochschulen
➔ Netzwerkentwicklung mit Wirkung für die Mitglieder, Lobbyarbeit, aktive Beteiligung.
Sprecherrat Daniel Büchel sagte einleitend: „Nach dem Soziologen Heinz Bude ´müssen wir zurückkehren zu einem Zustand, in dem wir noch nie waren´5. Weg von einer Notfallwirklichkeit (Holger Krimmer6) hin zu einer neuen Form der Normalität zwischen Staatsbedürftigkeit und Staatsskepsis.“
Die MV bekräftigte vor allem ihren Wunsch nach mehr Stringenz in der Umsetzung der Vereinbarungen, insbesondere der Engagementstrategie. Sie beschloss einen “Berliner Appell“7, der die staatlichen Akteur:innen an diese Vereinbarungen im Sinne guten Regierens dringend erinnern möge.
Denn wenn nicht jetzt wann dann: Es ist Zeit für Aufbruch!
Editorial von Carola Schaaf-Derichs im
Newsletter #8 der Landesfreiwilligenagentur Berlin
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aktualisiert 27.06.2021